
Stephan Rammler, Soziologe und Gründer des Instituts für Transportation Design, prognostiziert einen grundlegenden Wandel der Städte – und der gelingt nur mit nachhaltiger Mobilität. Stephan Rammler beschäftigt sich an seinem Institut in Braunschweig, Deutschland, mit nachhaltiger Mobilität.

Herr Rammler, wie werden sich die Städte in Zukunft verändern?
Wenn immer mehr Menschen in urbane Räume ziehen, wachsen auch die Ansprüche an Wohnraum, an Kultur- und Freizeitangebote und an die Mobilität. Die Frage ist, wie sich die Erwartungen künftig mit dem gegebenen städtischen Raumangebot vereinbaren lassen.
Was ist Ihre Antwort?
Aus der Verdichtung der Städte erwächst die zentrale Forderung nach mehr Nachhaltigkeit, weil uns in den Städten angesichts des Klimawandels sonst schlicht die Luft zum Atmen ausgeht. Das betrifft viele Bereiche, aber in erster Linie die Mobilität. Der Individualbesitz des klassischen Verbrenner-Autos mit seinem großen ökologischen Fußabdruck ist ein Auslaufmodell. Wie man an den jüngeren Generationen sieht, wandelt sich das Nutzungsverhalten in Richtung Teilen – vom Car- und Ridesharing bis zu Elektroroller- und Bikesharing-Angeboten.
Ist die Stadt der Zukunft autofrei?
So weit würde ich nicht gehen. In Zukunft werden aber mehr elektrifizierte Fahrzeuge das Straßenbild bestimmen. Die Politik wird Anreize für eine nachhaltigere Mobilität schaffen müssen, zum Beispiel durch die Einführung einer Stadt-Maut für Autofahrer. Denn klar ist: Die Transformation kann nicht mehr auf irgendwann verschoben werden.
Ralph Buehler, Professor und Verkehrsforscher am Virginia Tech Research Center in den USA, über Wege zu einer fahrradfreundlichen Stadt und das Vorbild Kopenhagen. Der Forscher Ralph Buehler ist Autor der Bücher „City Cycling“ (2012) und „Cycling for Sustainable Cities“ (2021) – und pendelt selbst mit dem Fahrrad zur Arbeit.

Herr Buehler, weltweit gilt Kopenhagen als Musterbeispiel für eine fahrradfreundliche Verkehrsführung – was können anderen Städte davon lernen?
Wie viele kleinere Städte in den Niederlanden kann die dänische Hauptstadt Traumzahlen vorweisen. 49 Prozent der Bewohner pendeln zur Arbeit, Uni oder Schule mit dem Fahrrad. Allerdings kam das nicht über Nacht, Kopenhagen ist eine traditionell fahrradfreundliche Stadt, die ihre Maßnahmen in den letzten 30 Jahren nochmals verstärkt hat. Warum die Stadt weltweit zum Vorbild wurde, lässt sich am besten mit einer Erfolgsformel zusammenfassen: getrennte und geschützte Radwege entlang der Hauptverkehrsrouten. Sie erlauben ein schnelles Vorankommen – und bieten Sicherheit für alle.
Sehen Sie Anzeichen dafür, dass andere Städte dem Beispiel folgen?
Ja, schon heute zeichnet sich in vielen Städten der Welt der Trend ab, geschützte Radwege anzulegen, um Radfahrern ein sicheres und zügiges Vorankommen von A nach B zu ermöglichen – oft in Kombination mit mehr autofreien Zonen im Innenstadtbereich und Straßen mit Tempolimit. Dies ist Teil einer Verkehrspolitik, die Fußgängern, Radfahrern und den öffentlichen Verkehrsmitteln mehr Raum gibt und dafür den Autoverkehr begrenzt und unattraktiver macht. Das sieht man an Montreal in Kanada oder Portland in den USA, ebenso an den europäischen Metropolen Paris, Wien und Barcelona.
Was sind die Treiber dieser Entwicklung?
Die Kommunen überall in der Welt stehen vor der Herausforderung, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, Verkehrsstaus zu minimieren und lokale Luftverschmutzung zu bekämpfen. Nur so lässt sich die Lebensqualität erhalten. Es geht um Werte wie Gesundheit, Sicherheit und Freizeitmöglichkeiten. Dafür muss der Verkehrsraum neu aufgeteilt werden.
Wie wichtig ist das Fahrrad für die Mobilitätswende?
Das Fahrrad wird eine große Rolle für einen nachhaltigen Verkehr spielen. Gerade in Städten ist es für viele Menschen das perfekte Verkehrs- und Tansportmittel, wenn es um Distanzen von bis zu zehn Kilometer geht. Die Verbreitung des eBikes verleiht der Entwicklung einen weiteren Schub. Es ermöglicht längere Strecken und spricht neue Zielgruppen an. Zum Beispiel die Berufspendler, die damit auch bei langen und steilen Strecken nicht verschwitzt ins Büro kommen. Voraus-setzung dafür ist allerdings der Ausbau des Radwegenetzes, damit Menschen aus den Randgebieten zügig in die Städte und wieder nach Hause pendeln können. Hier haben viele Städte noch Nachholbedarf.